Carmen Druyen, Veränderung berufsspezifischer Selbstwirksamkeitserwartungen von Studienreferendarinnen und –referendaren durch Trainings zum Kooperativen Lernen in der 2. Phase der Lehrerausbildung, 2017[1]

Beobachtungen in der Praxis der Lehrerausbildung zeigen immer wieder, dass eine Reihe von Lehramtsanwärterinnen und –anwärtern im Referendariat den Mangel an handlungsleitendem Wissen und umsetzbaren Fertigkeiten zur Klassenführung beklagt. Diese Beobachtungen lassen sich durch Ergebnisse aus Untersuchungen an Lehramtsstudierenden und Lehramtsanwärterinnen und –anwärtern bestätigen (vgl. z.B. Dicke, 2014; Klein, 2014; Lersch 2003, 2006; Schwarzer & Warner, 2011; Stern, 2009, Voss & Kunter, 2011). Wenn dieser Mangel im Laufe des Referendariats nicht behoben werden kann, hat dies sowohl Auswirkungen auf die Gestaltung lernwirksamer Prozesse im Unterricht, und damit auf Schülerleistungen, als auch auf die Motivation, Einsatzbereitschaft und das psychische Wohlbefinden der Lehrpersonen. Die Folge sind Erkrankungen oder auch Ausscheiden aus dem Beruf bis in die ersten fünf Jahre der Lehrertätigkeit (vgl. Dicke et al. 2015; Gavish & Friedman, 2010; Klassen & Chiu, 2011; Schaarschmidt, 2002; Sieland, 2007; Tschannen-Moran & Woolfolk Hoy, 2007). Die Professions- und Belastungsforschung machen deutlich, dass es protektive Faktoren gibt, die dazu beitragen, das Kompetenzerleben und Wohlbefinden von Lehrpersonen zu stärken. Hierzu gehören sowohl innere Prozesse, wie Selbstregulation, Copingstrategien oder Selbstwirksamkeitserwartung (vgl. Dicke et al. 2014; Jerusalem et al. 2007 / 2009; Schmitz & Schwarzer, 2002; Schwarzer & Hallum, 2008, Heinrich, 2014; Uhde, 2015), als auch Kompetenzen auf der Handlungsebene, wie z.B. die Fähigkeit zur Steuerung von Lernprozessen, der Umgang mit Störungen und Konflikten oder der Aufbau eines lernförderlichen Lernklimas (vgl. z.B. Havers, 2012/ 2013; Heinrich, 2014, Gawlitza, 2014; Jerusalem et al. 2007/2009; Jürgens & Krause, 2013). Ergebnisse aus der Forschung zeigen auch, dass Selbstwirksamkeitserwartung und Handlungskompetenz sich gegenseitig bedingen können (vgl. z.B. Baumert & Kunter, 2006; Klassen et al., 2011, Holzberger et al., 2013). Daraus resultierte die Überlegung, dass ein wirksames Konzept zur Entwicklung von Handlungskompetenz von Lehramtsanwärterinnen und –anwärtern sowohl zur Verbesserung von Unterricht als auch zur Stärkung von Selbstwirksamkeitserwartung und Kompetenzerleben beitragen kann. Kooperatives Lernen hat sich in vielen Kontexten als lernwirksames Unterrichtskonzept erwiesen (vgl. z.B. Elias & Haynes, 2008; Ginsburg-Block, Rohrbeck & Fantuzzo, 2006; Johnson & Johnson, 2003 ; Slavin, Hurley & Chamberlain, 2003) und es gibt auch vereinzelte  Hinweise darauf, dass die Verwendung Kooperativen Lernens zur Stärkung von Selbstwirksamkeitserwartung führen kann (vgl. z.B. Appleton 1995; Cantrell, Young & Moore, 2003; Palmer, 2002; Van Zee, Lay & Roberts, 2003; Watters & Ginns, 2000). Da die Kenntnis vereinzelter kooperativer Methoden nicht ausreicht, um Kooperatives Lernen als Konzept erfolgreich, d.h. lernwirksam, einzusetzen, bieten sich Trainingsformate an, die zwar in die Seminararbeit eingebunden sind, allerdings als kompakt durchgeführte Veranstaltungen die Möglichkeit bieten, kognitive, emotionale und behaviorale Aspekte miteinander zu verbinden und so die Trainingsinhalte erfahrbar zu machen und diese Erfahrungen auch zu reflektieren (vgl. . Krause & Jürgens, 2005, Lipowsky, 2010; Lipowsky & Rzejak, 2012)

Für die vorliegende Dissertation wurden zwei Trainingseinheiten zum Kooperativen Lernen nach Green & Green (2005) für Studienreferendarinnen und –referendare des Zentrums für schulpraktische Lehrerausbildung GY/GE in Oberhausen, NRW geplant und mit einer Teilstichprobe (N=96)[2], die aus vier überfachlichen Seminaren bestand, durchgeführt, wobei drei Gruppen (N=41) ein systematisches Training erhielten und eine Gruppe (N=9) ein unsystematisches. Die Teilnehmer aus vier weiteren überfachlichen Seminaren (N=46) bildeten die Kontrollgruppe. Aufgrund der vorgegebenen Gruppenstruktur ergab sich ein nicht randomisiertes quasi-experimentelles Design in Form eines Drei-Gruppenplans zu drei Messzeitpunkten. Gemessen wurde zum einen die Veränderung von vier berufsspezifischen Selbstwirksamkeitserwartungen (Lehrer-Selbstwirksamkeitserwartung, Selbstwirksamkeit „Kompetentes Sozialverhalten fördern“, Selbstwirksamkeit „Motiviertes Lernen fördern“ und Selbstwirksamkeit „Selbstbestimmung / Autonomie fördern“) über die drei Messzeitpunkte hinweg als auch der Einsatz von Kooperativem Lernen im selbstständigen Unterricht zu Messzeitpunkt 3. Die Auswertung der intervallskalierten Abfragen zu den vier Bereichen der  Selbstwirksamkeitserwartung erfolgten durch varianzanalytische Verfahren, die Ergebnisse der ordinalskalierten Abfrage des Einsatzes  von Kooperativem Lernen wurde mittels nicht parametrischer Verfahren verglichen. Darüber hinaus wurde überprüft, ob die Höhe der Lehrer-Selbstwirksamkeit zu Beginn der Ausbildung eine Auswirkung auf den Einsatz von Kooperativem Lernen hatte. Auch diese Auswertung erfolgte anhand nicht parametrischer Verfahren.

Trotz einiger Beeinträchtigungen hinsichtlich der Generalisierbarkeit in Anlage und Durchführung der Untersuchung (vgl. die Diskussion) zeigten die Ergebnisse eine positive Entwicklung im Bereich der Lehrer-Selbstwirksamkeitserwartung und der Skala Selbstwirksamkeit „Selbstbestimmung / Autonomie fördern“ in der Gruppe der systematisch Trainierten. In den anderen Bereichen berufsspezifischer Selbstwirksamkeitserwartungen zeigen sich keine statistisch relevanten Unterschiede zwischen den Gruppen. Damit bestätigt diese Untersuchung Ergebnisse aus der Forschung, die einen positiven Einfluss von Trainings zum Kooperativen Lernen ergaben.  Der Vergleich des Einsatzes von Kooperativem Lernen in den drei Gruppen ergab, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der trainierten Gruppen ihren Einsatz höher Einschätzten als die nicht Trainierten. Hieraus lässt sich ableiten, dass das Training bezüglich des Einsatzes erfolgreich war. Offen bleibt vorläufig, weshalb es keinen Unterschied zwischen systematisch und unsystematisch Trainierten gab. Die Annahme, dass die Höhe der Lehrer-Selbstwirksamkeit zu Beginn der Ausbildung eine Auswirkung auf die Umsetzung von Trainingsinhalten haben könnte, bestätigte sich für die Gesamtstichprobe nicht, allerdings zeigte sich bei einer Differenzierung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach hoher und niedriger Lehrer-Selbstwirksamkeit zu Messzeitpunkt 1, dass sich die Gruppe der Trainierten von der der nicht Trainierten positiv unterschied, was wiederum auf einen Trainingseffekt schließen lässt.

 

[1] Dissertation zur Erlangung des Grades Doktorin der Philosophie (Dr. phil.)an der  Fakultät für Geistes- und Erziehungswissenschaften der Technischen Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig

 

[2] Die Teilnehmerzahlen beziehen sich auf die Werte der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die auch in die Auswertung eingingen.

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